Zunehmende Bedeutung
Im vergangenen Jahrhundert sind die Temperaturen in der Deutschschweiz um 1,3 ° Celsius angestiegen. Die Prognosen zeigen: Diese Entwicklung geht weiter, ein zusätzlicher Anstieg um weitere 2°C ist sehr wahrscheinlich. Als Folge des Klimawandels werden wir Gebäude künftig weniger heizen, dafür mehr kühlen müssen (vgl. Studie Climabau, HSLU, 2017). Um auch unter diesen Vorzeichen im Sommer angenehme Innentemperaturen zu haben, bedarf es einer umsichtigen Planung. Denn was wir heute bauen, muss auch den klimatischen Bedingungen in 50 Jahren genügen. Mit einem optimalen Sonnenschutz, einer effizienten Wärmeabfuhr sowie einem angepassten Nutzerverhalten lassen sich auch künftig behagliche Raumtemperaturen erreichen – zumindest im Wohnbau meist ohne Klimaanlage.
Sicherheit für Ihren Wärmeschutz
Sommerlicher Wärmeschutz muss als disziplinübergreifendes Thema von den Architektinnen und Architekten geplant werden. Bereits am Anfang sollten grundsätzliche Planungsentscheide gefällt werden, denn Volumetrie und Orientierung eines Gebäudes, aber auch die Ausbildung der Fassade (Öffnungsanteil), sind von städtebaulicher Relevanz. Die Anforderungen an den Sommerlichen Wärmeschutz sollen nicht mittels Technologie nachträglich erfüllt werden. Vielmehr sind bauliche und technologische Aspekte von Anfang an eng miteinander zu verflechten.
Die wichtigsten Massnahmen für den Sommerlichen Wärmeschutz in einem Minergie-Gebäude sind:
- Berücksichtigung des solaren Wärmeeintrags über die Fenster: Grösse, Orientierung und der Gesamtenergiedurchlass der Fenster sind entscheidend.
- Berücksichtigung der Speicherfähigkeit von Bauteilen: Ist die Speicherfähigkeit gering, steigen die Anforderung an den Sonnenschutz.
- Der Sonnenschutz wird üblicherweise über bewegliche, aussenliegende Lamellenstoren oder Markisen gelöst. Das Minergie-Modul Sonnenschutz kennzeichnet ebensolche geprüfte Sonnenschutz-Produkte, welche einen einwandfreien Sonnen-, Blend-, Sicht- und/oder Wetterschutz beinhalten. Auch bauliche Verschattungen wie Balkone können dazu beitragen, solare Lasten zu reduzieren.
- Minimierung der internen Lasten durch effiziente LED-Leuchten und IT-Ausrüstungen, effiziente elektrische Geräte sind gerade in Verwaltungsbauten wesentlich.
- Eine Nachtlüftung trägt zur Verbesserung des sommerlichen Innenraumklimas bei. Die Grenzen der natürlichen Fensternachtlüftung werden aber vor allem im städtischen Umfeld sichtbar: Lärm, Luftqualität, innerstädtische Sommertemperaturen und Sicherheit.
- Eine aktive Kühlung kann auch ökologisch tragbar sein, wenn dafür der im Haus produzierte PV-Strom genutzt wird. Die Installation eines Tagesspeichers (elektrische Batterie) ist in diesem Sinne prüfenswert.
- Die kontrollierte Lüftung allein ist bei verhältnismässig geringen Luftvolumenströmen ohne zusätzliche Massnahmen meist keine ausreichende Lösung. Zu empfehlen ist jedoch in jedem Fall ein Gerät mit Sommerbypass, da dadurch verhindert wird, dass die Zuluft bei der Nachtauskühlung durch die warme Abluft vorgewärmt wird.
- Eine zentrale Komfortlüftung hat gegenüber manuellem Lüften oder Lüften via Low-Tech Lösungen, wie Aussenluft-Durchlässen den Vorteil, dass die Aussenluft, welche ins Gebäude geführt wird, zentral gefasst wird und der Standort dieser Aussenluftfassung so gewählt werden kann, dass dieser im Sommer nicht voll in der Sonne liegt. Zudem wird die Zuluft entfeuchtet, wodurch das Klima für den Bewohner angenehmer wird.
- Haustechniksysteme mit wenig Steuerungstechnik und filigranen Elementen sind komplexeren Lösungen vorzuziehen. Mit geringerer Komplexität mindert sich die Wahrscheinlichkeit von fehlerbehafteter Planung und Bedienung und sie sind günstiger und robuster in Erstellung und Betrieb
- Das Free-Cooling und Geocooling, bei dem «Erdkälte» oder Grundwasser zur Senkung der Raumtemperatur dient, nimmt an Bedeutung zu. Bei Erdsondenheizungen dient die Rückführung der Wärme ins Erdreich auch der Regeneration.
Anforderungen und Nachweis bei Minergie
Die Minergie-Anforderungen gewährleisten, dass das Raumklima auch im Sommer angenehm bleibt und verhindern eine Überhitzung.
Für den Nachweis des Sommerlichen Wärmeschutzes gelten die Norm SIA 180 «Wärmeschutz, Feuchteschutz und Raumklima in Gebäuden», subsidiär auch die Normen SIA 382/1, SIA 342 und SIA 416 sowie die Merkblätter SIA 2024 und 2028.
Eine Minergie-Zertifizierung bedingt einen Nachweis, der in wesentlichen Punkten von der SIA-Norm abweicht.
- Minergie definiert ein Maximum von 100h/Jahr mit über 26.5°C (statt 400h gem. SIA Norm 180)
- Die Modellierung geschieht mit Hilfe von Zukunftswetterdaten (MeteoSchweiz, DRY 2035)
- Die Windfestigkeit wird mit den Werten in SIA Norm 342 festgelegt
Wie die SIA Norm 180 bietet der Minergie-Nachweis drei Varianten an, wobei für Wohngebäude überwiegend die Variante 1 mit der «Globalbeurteilung von Standardfällen» ausreichend ist. Die Variante 2 basiert auf einem raumweisen Systemnachweis, in dem die wesentlichen Stellschrauben – Glasfläche, Wärmespeicherfähigkeit und Sonnenschutz – justiert werden. In Analogie zur SIA-180-Variante 2 erlaubt die Minergie-Variante 2 eine Optimierung des Gesamtsystems «Haus» über die Gewerke hinweg, indem beispielsweise eine geringe Speichermasse des Gebäudes über einen besseren Sonnenschutz oder eine reduzierte Glasflächenzahl ausgeglichen werden kann. Der Nachweis erfolgt anhand des Hilfstools Sommerlicher Wärmeschutz unter «Arbeitsdokumente» bei den Nachweisen und die Anwendungshilfe zu den Gebäudestandards bei den Grundlagen bietet im Abschnitt 8.3 eine Anleitung für das Hilfstool SoWS. Die Variante 3 des Nachweises bedingt eine thermische Gebäudesimulation. Erforderlich ist diese Variante, falls eine aktive Kühlung mittels einer Kältemaschine vorgesehen ist, sowie für Spezialfälle.